Neulich saß ich in der Regionalbahn nach Berlin und mein Blick striff so durch den Raum. Ich beobachtete die Gesichter, fasziniert von der Erkenntnis,dass jeder der Reisenden in einer völlig anderen Lebenswelt sitzt, obwohl wir alle im selben Wagon sitzen.
Jeder schaut durch seine eigene Brille auf die Welt.
Während der eine alles schwarz sieht, sieht der andere Möglichkeiten.
Während der eine eine rosarote Brille auf hat, sieht der andere Missstände.

Wie wir die Welt erleben, hängt von unserer Wahrnehmung ab – Wir filtern sekündlich 99,9% der Außenreize aus und fokussieren uns nur auf einen Bruchtteil unserer Umwelt.
Doch wonach wählt unser Unterbewusstsein denn aus, was wir wahrnehmen und was nicht?

Diese Frage interessierte mich, und ich fand dies heraus:

a) unser Unterbewusstsein wählt aufgrund unserer Erfahrungen (so färbt unsere Vergangenheit konstant unsere gegenwärtige Erfahrung)

b) unser Unterbewusstsein bietet Schutz vor Reizüberflutung (wir nehmen nur wahr, was für unsere Reaktion gerade am wichtigsten ist.

In den ersten Lebensjahren entwickelt sich unser Brillenmodell-
unsere grundlegende Wahrnehmung der Welt.

Wieviel habe ich von der Welt zu erwarten?
Lohnt es sich die Hand auszustrecken mit der Gewissheit, dass jemand zugreift?
Lebe ich in der Fülle, oder im Mangel?

Was wir in den ersten Lebensjahren erfahren, prägt unsere Erwartung ans Leben.
Wir reagieren als Baby und Kleinkind auf unsere sehr spezielle Familiensituation.
Daraufhin entwickeln wir Reaktionsmuster und Glaubenssätze und denken:
Das ist die Welt.
Wenn  wir als Kind viel kämpfen mussten, um Aufmerksamkeit zu bekommen, glauben wir vielleicht: Das Leben ist ein Kampf.

Wenn ein Kind oft alleine gelassen wird, leidet es auch als Erwachsene*r nicht selten an Einsamkeit. Für ein Baby zum Beispiel ist alleinsein, eine Erfahrung von tiefer Haltlosigkeit und beängstigender Orientierungslosigkeit. Es fühlt sich hilflos.  Es braucht  Kontakt,  um sich wahrzunehmen und zu regulieren.
Diese frühen Erfahrungen können uns ein Leben begleiten. Umso drastischer zu wissen, dass es noch Sprichwörter gibt wie: Schreien stärkt die Lungen.

Trauma färbt unsere Brille dunkel. Dunkle Brillen lassen uns mehr negatiive Eindrücke wahrnehmen. Wenn sich solch ein dunkles Brillenmodell entwickelt, nennen wir das Entwicklungstrauma. Vielleicht hast Du dieses Wort schon einmal gehört. Entwicklungstrauma beginnt dort, wo eingestimmter Kontakt fehlt.
Dort, wo ein Kind sich weder gehalten noch getragen fühlt.
Dann wird die Welt zum kalten Ort..
Wie siehst Du die Welt?
Durch welche Brille schaust Du?
Kennst Du sie?
Können wir die dunkle Folie abziehen und wieder klar sehen lernen?
Vielleicht weißt Du die Antwort…

 Genau darum, soll es am 10.10.2019 bei meinem interaktiven Vortrag zur Woche der seelischen Gesundheit gehen. Ein Vortrag zum Mitreden.