… und du nicht darauf verzichten solltest
Die ersten dreizig Jahre meines Lebens, habe ich losgelöst von meinem Körper gelebt.
Auch wenn ich ihn ganz normal benutzte, um zu essen und durch die Gegend zu laufen, bewohnte ich ihn nicht wirklich.Ich hatte kein Gefühl zu ihm.
Nicht-Fühlen als Schutz
Gestern fand ich im Keller, als ich auf der Suche nach meinen Winterschuhen war, (m)ein Tagebuch von 1996. Damals war ich 15 Jahre alt. Ich schlug das Tagebuch an einer beliebigen Seite auf und las: „Ich kann ohne eine Miene zu verziehen alle Schmerzen ertragen. Ich kann mich beherrschen. Es ist wie eine innere Selbstbestätigung, wenn die Nadel meine Haut durchsticht. Selbstbeherrschung. Ich habe meinen Körper mehr unter Kontrolle als meine Seele…“
Das sind die Worte der damaligen Jugendlichen Mareike, die sich ab und an in die Haut ritzte und stolz darauf war so viel ertragen zu können. Ich hatte damals keine Ahnung davon, wie sehr ich mich von meinem Körpergefühl getrennt hatte. Damals schützte mich das „Nicht fühlen“ um meine Verlorenheit nicht wahrzunehmen. Und es war gut so.
Dafür fühlte ich auch nicht das sanfte Pulsieren meines Körpers, sein Schwingen und Atmen, und hatte kein SELBSTGEFÜHL Ich erschuf mir dafür ein gedankliches Konstrukt, wie ich sein wollte. Dieses Selbstbild musste ständig von anderen bestätigt werden: meinen Klassenkameraden, den Jungs in der Disco und der Gothic Szene, in der ich mich befand.
Ich spürte die Stimmungen jeder Person im Raum. Ich spürte die Erwartungen und Bedürfnisse der Personen um mich herum, und glaubte sie bedienen zu müssen.
Dann spielte ich die Rolle, bei der ich annahm am meisten gemocht zu werden.
Und dies alles bemerkte ich noch nicht einmal.
Ich war ziemlich verträumt und gedankenverloren.
Mehr im Kopf, als im Körper. Ich fand mein Zuhause in der Spiritualität und war gleichzeitig unsicher in der Welt. Diese empfand ich oft als roh und kalt. Als sich im Alter von 29 Jahren die Panikattacken häuften, war dies ein Weckruf, und der Beginn meines Weges zurück in den Körper. Zunächst begann ich während meiner Panikattacke zu stampfen, oder die Füße zu kreisen, was mir half zu spüren und gedanklich aus dem Angstkarussel auszusteigen.
Von Bodenlosigkeit zu innerem Halt
Auf einem internationalem Camp in den Bergen traf ich einen Menschen der ausschließlich barfuß lief. Er lief flink und schaute nie zu Boden. Ich fragte ihn, wie oft er in etwas Unangenehmes trete. Er antwortete mir: „Niemals, mein Fuß spürt ganz genau wo er hintritt. Ich brauche nicht die Kontrolle meiner Augen.“ Ich war beeindruckt. Das imponierte mir und ich begann mich für Körperintelligenz zu interessieren und Achtsamkeitsübungen nicht mehr langweilig zu finden.
Ich begann beim Gehen meine Füße zu spüren und die Verbindung zur Erde wuchs. Wenn ich das warme Pulsieren in meiner Füßen zu spürte, fühlte ich mich sogleich sicherer. Wenn Angst aufstieg fiel mir auf, dass meine Füße kalt waren. So saß ich in der Berliner U Bahn, die Füße kreisend und die Aufmerksamkeit von meinen ängstlichen Gedanken immer wieder auf die Füße lenkend. Wer Panikattacken kennt, der weiß, dass dies eine hohe Kunst ist. Doch es lohnt sich: irgendwann spürte ich Empfindungen in den Füßen. Es zog mir nicht mehr den Boden unter den Füßen weg. Ich hatte Halt.
Wenn ich heute die jungen Mädels bei Minusgraden in Feinstrumpfhosen zittrig und rauchend am Bahnsteig stehen sehe, wird mir klar wie viele Menschen Ihren Körper nicht wirklich spüren.Und WIR ALLE sind wahrscheinlich mehr im Denken zu Hause als im Fühlen.
Heute mag ich meinen Körper und freue mich, wenn ich mich mit ihm verbunden fühle.
Meine Tagträumereien verwandeln sich in zunehmendes Körperbewusstsein und Präsenz.
Hier komme ich in Kontakt mit meinen Bedürfnissen und meiner spielerischen impulsiven Lebendigkeit. Hier lodert mein inneres Feuer. Die Antriebskraft von ganz tief innen. Hier höre ich die Alarmglocken läuten, sowie mein intuitives Bauchgefühl. Es ist meine Lieblingsübung geworden, mich immer wieder auf meine Körperempfindungen zu konzentrieren.
Hier fasse ich für Dich zusammen,
warum Körperbewusstsein so extrem wichtig ist:
sich lebendiger fühlen
Wenn du dich wohl in deinem Körper fühlst, bist du durchströmt von Lebendigkeit und Lebenslust.
An solchen Tagen fühle ich Antriebskraft und richtig krasse Freude, die keinen Grund braucht.
das Nervensystem entspannt sich
Das Kreisen im Kopf fährt runter. Das Nervensystem reguliert sich und die Verdauung setzt ein.Wenn du dagegen unter Strom stehst, bist du unfähig Erlebnisse tatsächlich zu verarbeiten. Du bleibst in der Überforderung hängen und fühlst dich dünnhäutig.
Du bist mehr bei dir statt im Geschehen
Wenn du dich selbst spürst, bist du dem äußeren Geschehen nicht mehr so ausgeliefert.
Angenommen, du bist mit einer Person im Raum, die enttäuscht von dir ist und es dich deutlich spüren lässt. Doch statt dich von der Spannung komplett einnehmen zu lassen, spürst du dich in deinem Körper. Es gibt Stellen, die sich vielleicht eng anfühlen. Du atmest weiter. Du stehst hier mit all deinen Empfindungen und die andere Person steht ebenso da mit all ihren Empfindungen. Auf diesem Wege lernst du mit Spannungsmomenten umzugehen. Für mich als tendenzielle Konflikt-Vermeiderin ist dies ein Schlüssel in die Freiheit.
Du kannst deine Bedürfnisse besser formulieren
Wenn du dich und deine Gefühle besser wahrnehmen und einordnen kannst, befindest du dich nicht mehr in einem verwirrendem Sturm. Nicht zuletzt kommst du in Verbindung mit deinem Körper vom Träumen mehr ins Tun.
Vielleicht fragst du dich an dieser Stelle, wie du dein Körperbewusstsein stärken kannst. Wahrscheinlich gibt es so viele Wege, wie Seelen auf der Erde.
Hier ein paar Anregungen:
-
Nimm dir jeden Tag einige Momente Zeit, einfach nur deinen Körper zu spüren.
Ein paar Fragen sind: Fühlst du sein Pulsieren und Strömen, fühlst du Spannungen, deinen Atem, die Temperatur, die Kontaktflächen deiner Füße zum Boden?
Selbst wenn du wahrnimmst, das du nicht viel Fühlst ist dies ein Beginn. Du hast die Absicht gesetzt deine Aufmerksamkeit in den Körper zu bringen und die Energie wird früher oder später der Aufmerksamkeit folgen.
-
Tanzen, Sport oder Yoga machen, Herumtoben
-
Während du mit Menschen in Kontakt bist lenke immer wieder die Aufmerksamkeit nach innen und auf deinen Körper,. Frage dich: Wie geht es mir gerade?
-
Für einige Menschen ist es sinnvoll im geschützten Rahmen einer Körpertherapie, oder ähnlichen Angeboten, mit ihrem Körper in Kontakt kommen. Oftmals haben traumatische Erlebnisse zu einer Spaltung zwischen Kopf- und Körper geführt. Deshalb kann es zu inneren Widerständen kommen, sich mit dem Körper zu verbinden. Diese Widerstände sind ein Schutz davor, mit unangenehmen Gefühlen oder Erinnerungen in Kontakt zu kommen und hier ist eine gute Begleitung sinnvoll.
Eine tiefe Freundschaft mit deinem Körper zu schliessen,
bringt dich näher zu dir selbst. Das macht dich vom Suchenden zum Liebenden.
Du brauchst nicht mehr heimatlos umher zu irren, denn wie die Schnecke trägst du dein Hause mit dir herum, wohin auch deine Reise führt.